„Gute Lösung“ oder “fauler Kompromiss“? Scharfe Kritik an vereinbarten Eckpunkten für Grundsteuerreform
Am 1. Februar haben sich Bund und Länder auf Eckpunkte für die umstrittene Grundsteuer-Reform geeinigt. Zur Berechnung sollen künftig der Grundstückswert, das Alter von Gebäuden und die durchschnittlichen Nettokaltmieten herangezogen werden. Während der Deutsche Städtetag und der Landkreistag den Kompromiss als gute Lösung begrüßten, wird das wertbasierte Modell in der Immobilienwirtschaft und vom Bund der Steuerzahler scharf kritisiert.
Werden die Eckpunkte so umgesetzt, wie von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) verkündet, entstehe ein Bürokratiemonster, befürchtet Jürgen Michael Schick, Präsident des Immobilienverbandes IVD. „Die Erhebung der Grundstückswerte, des Gebäudealters und der Miethöhe wird zu einem erheblichen Mehraufwand in den bereits voll ausgelasteten Finanzämtern führen“, so Schick. Der „faule Kompromiss“ sei zudem ungerecht, denn der Einbezug der Durchschnittsmieten in die Berechnung der Grundsteuerlast treibe die Mieten in Metropolen und Ballungsräumen weiter in die Höhe.
Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, unterstützt das neue Modell – auch wenn in herausgehobenen Wohnlagen dann mehr Grundsteuer anfallen als in strukturschwachen Gebieten. Es sei gerechter, den Wert von Grundstücken und Gebäuden in die Besteuerung einzubeziehen. Das könne auch „von den Menschen besser akzeptiert werden“, meint Dedy.
Der Städtetag drängt auf einen schnellen Gesetzesentwurf, denn das Bundesverfassungsgericht verlangt eine Neuregelung der völlig veralteten Grundsteuer bis Ende des Jahres. Wird keine Einigung erzielt, fällt die Grundsteuer ab 2020 weg. Ein Horrorszenario für die bundesweit mehr als 11.000 Kommunen, denn mit 14 Milliarden Euro jährlich ist die Grundsteuer eine wichtige Einnahmequelle und trägt zu Bau und Sanierung von Schulen, Kitas, Schwimmbändern und Straßen bei.
Auch der Bund der Steuerzahler (BdSt) hat die Einigung von Bund und Ländern als „ungeheuer bürokratisch und teuer“ kritisiert. Sie bedeute „mehr Bürokratie, mehr Kosten, mehr Klagen“, so BdSt- Präsident Reiner Holznagel. Die höhere Grundsteuer in Ballungsgebieten treffe vor allem Menschen mit kleinen Einkommen, Studenten, junge Familien und Rentner. Auch der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdB warnt vor dem Kompromiss: Verbandspräsident Axel Gedaschko sieht „dunkle Wolken für bezahlbares Wohnen“ aufziehen.
„Noch lange nicht am Ziel“
Kritik kommt auch aus der Politik: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sieht den Kompromiss nicht als zustimmungsfähig an. „Wir sind noch lange nicht am Ziel“, sagte er gegenüber dem Handelsblatt. (Bayern hatte eine unbürokratische Steuerberechnung nach Fläche angestrebt.) Immerhin begrüßte Söder, dass der ursprüngliche Vorschlag von Bundesminister Olaf Scholz jetzt vom Tisch sei, denn dieser sah eine individuelle Berechnung für die rund 36 Millionen Grundstücke und Gebäude vor.
Unzufrieden mit dem Erreichten äußerten sich auch einige Bürgermeister großer Städte: Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) warnt vor einer höheren Steuerbelastung der Mieter. Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) kritisierte die Vorschläge seines Parteifreundes Olaf Scholz zur Grundsteuerreform als „zu kompliziert“. Als einfachste, fairste und beste Lösung sieht er eine Grundsteuer allein auf Basis von Bodenrichtwerten an, da diese den Wert der Immobilie bereits implizit enthalten.
Noch grundlegender ist die Kritik von SPD, Grüne und Linken, die fordern, dass Eigentümer die Grundsteuer in Zukunft nicht mehr auf die Mieter abwälzen können.
Bei so viel Gegenwind ist davon auszugehen, dass die Eckpfeiler noch nachjustiert werden. Viel Zeit bleibt nicht, denn damit das neue Gesetz bis Ende des Jahres verabschiedet werden kann, muss der Gesetzesentwurf bis spätestens Ostern vorliegen.
Antragsfrist Grundsteuererlass bis 1. April
Der Eigentümerverband Haus und Grund weist darauf hin, dass die Frist zum Grundsteuererlass für Vermieter am 1. April ausläuft. Bis dahin sollten Vermieter, die unverschuldet im vergangenen Jahr erhebliche Mietausfälle hatten, ihre Anträge stellen. Als Ursache der Mietausfälle kommen Leerstand, allgemeiner Preisverfall oder strukturbedingte Nichtvermietbarkeit in Betracht, aber auch außergewöhnliche Ereignisse wie Wohnungsbrände oder Wasserschäden.
Quellen: bundesfinanzministerium.de, tagesschau.de, faz.de, zeit.de, handelsblatt.de, welt.de, sueddeutsche.de spiegel.de, hausundgrund.de, rp-online.de, t-online.de, tagesspiegel.de.